Von den Kandidierenden nahmen Regina Sauter (FDP), Tiana A. Moser (GLP), Daniel Jositsch (SP) und Nik Gugger (EVP) an dem Podiumsgespräch teil. Moderiert wurde es von Daniel A. Egli (Leitung Blick-Newsroom).
Zu Beginn des Gesprächs fragte der Moderator, woran es wohl liege, dass die Beziehung der Schweiz zur EU im diesjährigen Wahlkampf kaum thematisiert werde, obwohl dies für uns alle von grosser Bedeutung sei. Die Kandidierenden waren sich einig, dass eine geregelte und stabile Beziehung zwischen den beiden Partnern, insbesondere für den «Wirtschaftsmotor» Zürich sozusagen existentiell sei. Zürich mit seinem internationalen Flughafen (R. Sauter) und seinen renommierten Hochschulen (D. Jositsch), wie der ETH und der Universität Zürich ist für die Schweiz als Ganzes wichtig. Dessen ist sich auch der Kanton ZH bewusst. R. Sauter ist überzeugt, dass sich diesbezüglich die Firmen im Klaren seien und in der jetzigen Lage verunsichert sind. Doch diese Wahrnehmung sei in der Öffentlichkeit bis jetzt kaum angekommen.
Die gegenwärtige Blockade, die der Bundesrat zu verantworten hat, wird von den Kandidierenden sehr negativ beurteilt. T. Moser weist darauf hin, dass die Bilateralen nun einer steten Erosion unterliegen und wenn die Nachteile einmal offensichtlich werden, für die Schweiz eine «Reparatur» aufwendig werde. Exemplarisch dafür nennt sie das Stromabkommen. Eine zuverlässige und nachhaltige Energieversorgung der Schweiz sei nur gemeinsam mit der EU möglich. R. Sauter machte als Leiterin der Handelskammer ZH die Erfahrung, dass in den letzten Jahren sich keine US-Firma in Zürich niederliess. Für diese Firmen ist in der Schweiz Rechtssicherheit nicht mehr gegeben. Früher war der Standort Zürich bei US-Firmen beliebt, dies dank stabiler Verhältnisse in der Schweiz und dem geregelten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Der Markt der Schweiz ist für diese Firmen unbedeutend. D. Jositsch weist auf einen ähnlichen Negativtrend im Hochschulwesen hin. Mit dem Verlust der vollen Mitgliedschaft im EU-Forschungsverbund, sei es heute für die Zürcher Hochschulen äusserst schwierig gute Wissenschaftler:innen zu gewinnen. Das sei eine Katastrophe, da wir für Spitzenleute zunehmend unattraktiver werden.
Bezüglich Stromabkommen mit der EU sind sich die Kandidierenden einig, dass es ein solches braucht und möglichst rasch an die Hand genommen werden muss. N. Gugger erwähnt, dass für die Schweiz die Deadline 2026 sei, was den Verantwortlichen längstens bekannt sei. R. Sauter verweist darauf, dass dazu in der Schweiz der Strommarkt liberalisiert werden müsse, was sie begrüsse. So könne sich ein jeder den günstigsten Strom sichern. D. Jositsch ist bezüglich Liberalisierung skeptisch. Günstige Strompreise seien noch keine Garantie für Versorgungssicherheit.
Bei der Frage zur Neutralität und Sicherheitspolitik der Schweiz liegen die Ansichten der Kandidierenden schon etwas weiter auseinander. Einigkeit besteht darin, dass die Schweiz sich mit den umliegenden Staaten an einem Sicherheitskonzept beteiligen muss und der Bundesrat den Neutralitätsbegriff viel zu eng auslege. Gemäss T. Moser gibt es keine Werteneutralität. N. Gugger ist über den Bundesrat zu tiefst enttäuscht, da er sich nicht aktiver um humanitären Hilfe und am Wiederaufbau in der Ukraine bemüht. Zum Kriegsmaterialgesetzt bemerkte D. Jositsch, dass man beobachten konnte, dass in den letzten Jahren zunehmend schweizerische Rüstungsgüter an unerwünschten Orten auftauchten. Dem wollte man einen Riegel schieben. Doch im Fall der Ukraine, hätte es dem Bundesrat gut angestanden etwas mehr gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Auf die Publikumsfrage wie verhindert werden könne, dass Russland keine Gelder zur Kriegsfinanzierung erhält, meinte D. Jositsch, dass da auch die Banken in der Pflicht seien. Jedoch Russland über viele Ressourcen verfüge, die es auf dem Weltmarkt zu Geld machen könne. R. Sauter weist darauf hin, dass die Schweiz die EU-Sanktionen übernommen habe.
Zur Frage der Handlungsunfähigkeit des heutigen Bundesrates, meint T. Moser, dass die AKP des Nationalrates alles versucht habe, um den Bundesrat zum Handeln zu bewegen. Etwas enttäuscht zeigte sie sich über die APK des Ständerates, der hier nicht aktiv mitziehen wollte. D. Jositsch erwidert darauf, dass der Ständerat sich aus ordnungspolitischen Gründen nicht in die Geschäfte des Bundesrates einmischen will. Die Aussenpolitik sei ausschliesslich Sache des Bundesrates. R. Sauter pocht darauf, dass nun im Hinblick auf das EU-Dossier, sich der Bundesrat zusammenraufen müsse. Sie ist der Ansicht, dass man trotz allem nicht zu pessimistisch sein müsse und mit etwas Zuversicht in die Zukunft blicken solle.
Am anschliessenden Apéro hatten die Teilnehmer:innen noch ausführlich Gelegenheit, sich mit den Kandidierenden auszutauschen und Ungereimtheiten zu klären, was von vielen sehr geschätzt wurde.