Die EU verfügt über eines der dichtesten Schienennetze der Welt. Ursprünglich entwickelte jeder Mitgliedstaat sein eigenes Eisenbahnsystem, da die Bahn wegen hoher Investitionskosten ein natürliches Monopol der einzelnen Länder war. Deshalb ist die Errichtung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums für die EU keine leichte Aufgabe. Im Juli 1991 konnte immerhin die erste Richtlinie verabschiedet werden, welche die getrennte Buchführung von Infrastruktur- und Bahnbetreibern vorschrieb und damit den Bahnverkehr erstmals für den grenzüberschreitenden Wettbewerb öffnete.
Seitdem hat die EU vier Pakete verabschiedet, um den Eisenbahnmarkt zu öffnen, die Interoperabilität der nationalen Bahnsysteme zu erhöhen und den Rahmen für einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum festzulegen. 2016 wurde das vierte Paket verabschiedet, das eine «technische Säule» und eine «Säule für Governance und Marktöffnung» umfasst. Ersteres soll die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors fördern, indem Kosten und Verwaltungsaufwand für Unternehmen gesenkt werden, die in ganz Europa tätig sein wollen. Es wurden bessere Regeln für die Interoperabilität und die Sicherheitsgenehmigungsverfahren eingeführt, wobei der EU-Eisenbahnagentur eine wichtige Rolle zukommt. Die zweite Säule öffnet den Markt für inländische Personenverkehrsdienste für den gesamten EU-Wettbewerb und deckt damit mehr als zwei Drittel aller Personenverkehrsdienste ab. Seit Dezember 2020 können EU-Eisenbahnunternehmen europaweit Schienenverkehrsdienste auf kommerzieller Basis anbieten. Dies ist als «offener Wettbewerb» bekannt und hat bereits dazu beigetragen, die Dienstleistungen und Frequenzen zu verbessern und die Preise auf einigen Strecken zu senken.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Politik der transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V), die derzeit überarbeitet wird. Dabei geht es um die Umsetzung und den Ausbau eines europäischen Netzes von Eisenbahnstrecken, Strassen, Binnenwasserstrassen, Seewegen, Häfen, Flughäfen und Eisenbahnterminals. Die Überarbeitung zielt darauf ab, den Marktanteil nachhaltigerer Verkehrsträger, insbesondere der Schiene, zu erhöhen. Nicht zuletzt ist es auch notwendig, das Netz digitaler zu gestalten. Deshalb besteht die Europäische Kommission darauf, dass das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) – das interoperable und sichere europäische Signalsystem, das 21 nationale Systeme ersetzt – bis 2040 auf dem gesamten Netz eingeführt wird. Mit dem Eisenbahnsektor arbeitet die Kommission auch eng am Projekt «Europe’s Rail» zusammen. Ziel ist hier die Finanzierung innovativer Projekte in verschiedenen Bereichen wie z. B. ein besseres integriertes Verkehrsmanagement, Signaltechnik
mit höherer Kapazität, selbstfahrende Züge, neue Treibstoffe und effiziente Lösungen für Strecken mit geringem Verkehrsaufkommen. Wir müssen die Annahme und den Einsatz innovativer und digitaler Lösungen beschleunigen, damit unsere Bürger:innen bald von besseren Dienstleistungen profitieren können.