Eines der ältesten Politikfelder der EU: die Gemeinsame Agrarpolitik

Agrarpolitik
Interview mit Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock.

Die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) ist seit 1962 in Kraft und somit eines der ältesten Politikfelder der Europäischen Union. Was sind die Hintergründe für eine gemeinsame Agrarpolitik und um was geht es konkret?

Nach dem 2. Weltkrieg war die Ernährungslage in Europa schwierig. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) verbesserte in den 1950er und 1960er Jahren über einen gemeinsamen Markt für Agrarprodukte und die entsprechenden Absatzmöglichkeiten die Ernährungssituation in Europa. Über die Jahrzehnte hat die GAP, die in den 1980er in eine tiefe Krise geriet, viel zur europäischen Einigung beigetragen. Allerdings sollten wir heute in der EU-27 neu definieren, auf welchen Zielen und Gemeinsamkeiten diese Agrarpolitik beruht.

Obwohl die GAP massgeblich dazu beigetragen hat, die Produktivität der Landwirtschaft und die Lebensmittelsicherheit in Europa zu erhöhen, steht sie immer wieder von allen Seiten in der Kritik. Was sind die Hauptkritikpunkte?

Ein Hauptkritikpunkt bestand vor allem darin, dass die gestützten Preise der GAP und der EU-Zollschutz erhebliche volkswirtschaftliche Verluste sowie auch budgetäre Kosten für die EU erzeugten. Dies hat sich durch zahlreiche Reformen seit 1992 verbessert. Heute besteht die Kritik eher darin, dass die GAP mit ihren Direktzahlungen kaum eine sinnvolle Rechtfertigung hat. Andererseits fehlen für die volkswirtschaftlich sinnvollen Aufgaben wie z.B. die Agrarumweltförderung oder die Förderung des Tierwohls die finanziellen Mittel.

Letztes Jahr hat Brüssel eine weitere Reform für die gemeinsame Agrarpolitik verabschiedet, welche am 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Was sind die Neuerungen der GAP 2023-2027?

Die neue GAP nach 2023 verschiebt die Verantwortung für die speziellen Massnahmen stärker in die Hauptstädte der 27 Mitgliedsländer. Diese beschreiben mit einem GAP-Strategieplan, welche Ziele und Defizite sie mit welchem GAP-Instrument angehen wollen. Die Rolle der EU-Kommission besteht jetzt darin, die Zielerreichung der Mitgliedsstaaten zu kontrollieren und nicht mehr jeden einzelnen Landwirt. Diese Dezentralisierung beinhaltet zwar Chancen, allerdings hat es die EU-Kommission vorab versäumt, klare Vorgaben an die Umsetzung zu formulieren, so dass unklar ist, ob die neue GAP ab 2023 überhaupt die oben skizzierten Schwächen verbessert.

Im Rahmen des Green Deals haben die Mitgliedsländer die «Farm to Fork» Strategie erarbeitet. Was beinhaltet diese Strategie und in welchem Zusammenhang steht sie mit der GAP?

Die Farm-to-Fork-Strategie ist die landwirtschaftliche Umsetzung des sog „Green Deals“, mit dem die EU-Kommission 2019 bei ihrem Amtsantritt eine sehr breit angelegte Klimastrategie formuliert hat. Die Farm-to-Fork-Strategie spricht wichtige Herausforderungen im Umweltbereich an, allerdings ist sie bisher nicht gut in die GAP eingebettet und bei einigen der vorgeschlagenen Politikinstrumente sehe ich Verbesserungsbedarf. Beispielsweise brauchen wir präzisere Instrumente für die Reduktion von Dünger und Pflanzenschutzmitteln aber die bisherige Vorgehensweise ist etwas unkonkret.

Der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat neue Fragen in Bezug auf die Ernährungssicherheit Europas aufgeworfen. Was bedeutet dies für die GAP?

Der Krieg in der Ukraine hat größere Versorgungsengpässe und damit Probleme für die globale Welternährung zur Folge. Die Ukraine war bisher einer der grossen Lieferanten am Weltmarkt für Getreide, Mais und Ölsaaten, der vor allem Entwicklungsländer beliefert hat. Es ist richtig, dass die EU helfen sollte, allerdings sehe ich keinen direkten Zusammenhang zur GAP. Vielmehr legt dieser Krieg die systematischen Schwächen unserer europäischen Agrarsysteme offen. Die Antwort auf diese Krise kann insofern nicht weniger, sondern eher mehr Nachhaltigkeit in Konsum und Produktion sein. Wir verwenden zu viele Ressourcen und Rohstoffe zur Erzeugung von Fleisch und Biokraftstoffen. Eine Änderung in diesem Bereich könnte der Schlüssel für diese Herausforderung sein.

Sebastian Lakner
25.05.2022

Sebastian Lakner

Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock