Grüner, sicherer, freier: Die Prioritäten der schwedischen Ratspräsidentschaft

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Interview mit Sofia Karlberg (Chargé d’affaires a.i., Schwedische Botschaft in Bern) über die schwedische EU-Ratspräsidentschaft.

Schweden hat vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2023 die EU-Ratspräsidentschaft. Was sind die Prioritäten dieser Präsidentschaft?

Die Schlüsselwörter unserer Präsidentschaft sind GRÜNER, SICHERER, FREIER. Unsere oberste Priorität ist die Ukraine. Unsere Aufgabe wird es sein, weiterhin gemeinsam und entschlossen Unterstützung zu leisten. Unser Premierminister hat letzte Woche bei seinem Besuch in Brüssel erklärt, dass der Sieg der Ukraine nicht nur für Europa, sondern auch für die Welt existenziell ist. Eine weitere Priorität ist der ökologische Wandel. Das ist ein Bereich, in dem die EU eine entscheidende Rolle spielen kann. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine ist diese Aufgabe noch dringlicher geworden. Wir werden weiter daran arbeiten, die EU als Vorreiterin des grünen Wandels zu stärken. In diesem Zusammenhang wollen wir auch damit beginnen, die Gestaltung des europäischen Strommarktes zu reformieren. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU steht ebenfalls auf der Agenda unserer Präsidentschaft. Wir brauchen eine neue, langfristige Strategie auf EU-Ebene, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität zu steigern. Schliesslich wird auch die Verteidigung unserer gemeinsamen Werte, insbesondere der Rechtsstaatlichkeit, eine unserer Prioritäten sein.

Migrations-, Wirtschafts- und Energiekrise: Die Herausforderungen für die EU sind zahlreich. Inwiefern kann die schwedische Ratspräsidentschaft dazu beitragen, sie zu bewältigen?

Für jede unserer Prioritäten haben wir eine Strategie ausgearbeitet. Neben der Unterstützung der Ukraine wird der Schwerpunkt auf dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen und der Entwicklung einer gemeinsamen Migrationspolitik liegen. Beim ökologischen Wandel ist es unser Ziel, das Paket „Fit für 55“ abzuschliessen, mit dem die CO2-Emissionen der EU bis 2030 um 55% gesenkt werden sollen. Wir werden das 30-jährige Jubiläum des Binnenmarktes nutzen, um die Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit der EU neu zu beleben. Und um die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit hervorzuheben, werden wir im Mai in Stockholm ein Symposium zu diesem Thema veranstalten.

Welche «schwedischen Eigenschaften» werden in die Präsidentschaft eingebracht?

Wir hoffen, dass Schweden als konstruktiver und enthusiastischer Leader und als kooperative, kompromisssuchende Partnerin wahrgenommen wird. Zum Auftakt der schwedischen Ratspräsidentschaft haben wir die Europäische Kommission nach Kiruna eingeladen, Schwedens nördlichster Stadt oberhalb des Polarkreises. Kiruna ist eine Stadt, in welcher der grüne Wandel Realität ist. Die Kommission konnte sich beispielsweise über klimaneutralen Bergbau und fossilfreien Stahl informieren. Die Teilnehmer:innen wurden zudem eingeladen, im Eishotel in Jukkasjärvi zu übernachten.

Während der früheren schwedischen Ratspräsidentschaften in den Jahren 2001 und 2009 hatte die EU 15 bzw. 25 Mitglieder. Welche neuen Herausforderungen bringt die Präsidentschaft über eine Union mit 27 Mitgliedstaaten mit sich?

Unabhängig von der Anzahl Mitgliedstaaten wird jede Präsidentschaft von spezifischen Themen dominiert, die erwartet oder auch unerwartet auftreten können. Ich habe bereits mit der EU-Ratspräsidentschaft 2009 gearbeitet. Zwei grossen Themen waren damals die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen und die Vorbereitungen des Vertrags von Lissabon. Die Präsidentschaft von 2001 stand, wie die heutige auch, im Zeichen der Schaffung neuer Gesetze. Sie konzentrierte sich auf die EU-Erweiterung, auf Beschäftigung und die Umwelt. Zudem mussten wir uns damals unerwartet mit der Welle des Rinderwahnsinns und der Maul- und Klauenseuche befassen.

Photo Sofia Karlberg
26.01.2023

Sofia Karlberg

Chargé d'affaires a.i., Schwedische Botschaft in Bern