Personenfreizügigkeit

Das Personenfreizügigkeitsabkommen, eines der bedeutendsten Abkommen für die Schweiz.

Die Schweiz des 21. Jahrhunderts ist ohne Personenfreizügigkeit undenkbar

Das bilaterale Freizügigkeitsabkommen (FZA) und dessen Protokolle regeln die Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen für Schweizer Staatsangehörige in den EU-Mitgliedstaaten und für EU-Bürger:innen in der Schweiz. Die Schweiz profitiert seit dem Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit von der Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften.

Hintergrund

Die Personenfreizügigkeit ist eine von vier sogenannten Grundfreiheiten der EU: Freier Warenverkehr, Dienstleistungsfreiheit, freier Kapital- sowie Zahlungsverkehr und eben die Personenfreizügigkeit. Sie garantiert Schweizer und EU-Bürger:innen das Recht, Arbeitsplatz und Wohnort innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU frei zu wählen. Das Recht auf Freizügigkeit wird ergänzt durch Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, den Erwerb von Immobilien und die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.

Die gegenseitige Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU trat im Juni 2002 nach Unterzeichnung des bilateralen Freizügigkeitsabkommens (FZA) in Kraft. Dieses wurde in den Jahren 2005 und 2009 auf die neuen Mitgliedsstaaten der EU ausgeweitet und jeweils durch Volksabstimmungen bestätigt. Seit Januar 2022 werden auch kroatische Arbeitskräfte jenen der übrigen EU/EFTA-Mitgliedstaaten gleichgestellt.

Zuletzt hat sich das Schweizer Stimmvolk im September 2020 mit der deutlichen Ablehnung der «Begrenzungsinitiative» (auch «Kündigungsinitiative» genannt) klar für den Erhalt der Personenfreizügigkeit ausgesprochen.

Bedeutung für die Schweiz

Die Schweiz des 21. Jahrhunderts ist ohne Personenfreizügigkeit undenkbar. Die Arbeitsleistung der Ausländer:innen haben in der Vergangenheit massgeblich zum Wachstum der Wirtschaft und zum Schweizer Wohlstand beigetragen. Kaum zu unterschätzen ist auch der Zufluss an Wissen und Können durch den freien Personenverkehr. Ein vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten veröffentlichter Bericht aus dem Jahr 2017 zeigt beispielsweise, dass europäische Migrant:innen das Beschäftigungswachstum in Bereichen gefördert haben, die hochqualifizierte Arbeitskräfte benötigen. Dieses Wachstum hat wiederum zu einer erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften im Bereich der lokalen Waren- und Dienstleistungsbranche geführt.

Der Bericht des «Observatorium Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU» aus dem Jahr 2022 stellt ausserdem fest: Die Zuwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit entspricht insgesamt den Bedürfnissen des Schweizer Arbeitsmarktes. Es gibt auch eine nicht unerhebliche Zahl an Grenzgänger:innen, die sich über die Jahre immer besser qualifiziert haben und einen wichtigen Stellenwert für die Schweiz haben.

Alle Branchen in der Schweiz sind auf ausländische Mitarbeitende angewiesen, da der Fachkräftemarkt den Bedarf, insbesondere nach spezialisierten Arbeitskräften, nicht decken kann. Mittel- bis langfristig kommt den ausländischen Arbeitskräften gar noch grössere Bedeutung zu, da das Angebot an inländischen Arbeitskräften aus demografischen Gründen zurückgehen wird (geburtenschwache Jahrgänge). Ohne die Spezialist:innen im Gesundheitsbereich, die Arbeiter:innen in der Landwirtschaft oder die Musiker:innen in der Kulturszene würden diese Branchen schlicht nicht mehr funktionieren.

Verschiedenen Recherchen zufolge entlastet das Personenfreizügigkeitsabkommen zudem die Sozialversicherungen durch positive Finanzbeiträge der EU-/EFTA-Bürger:innen in der Altersvorsorge (AHV), der Invalidenversicherung (IV) sowie in den Krankenversicherungen. Da sich die Zuwanderung der letzten Jahre vor allem ergänzend auf den Arbeitsmarkt auswirkt, gibt es keine Anzeichen dafür, dass sie die Beschäftigungschancen der ansässigen Bevölkerung geschmälert hat, und es sind keine negativen Auswirkungen auf die Lohnentwicklung der Schweizer Bevölkerung auf die Personenfreizügigkeit zurückzuführen. Seit des Inkrafttretens des FZA haben sich viele volkswirtschaftlich relevante Indikatoren, so z.B. das Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder die Arbeitsproduktivität, stets positiv entwickelt. Die Arbeitslosigkeit ist zudem auf tiefem Niveau stabil geblieben.

Etwa 40% der gesamten Wachstumseffekte infolge der Bilateralen I sind dem FZA zuzuschreiben. Es ist damit für die Schweiz das wirtschaftlich mit Abstand wertvollste Abkommen mit der EU (vgl. ökonomische Auslegeordnung zur Personenfreizügigkeit von Avenir Suisse).

Bedeutung für die Auslandschweizer:innen

Zudem ist das Personenfreizügigkeitsabkommen keineswegs einseitig. Der freie Personenverkehr ermöglicht es auch Schweizer:innen in einen Mitgliedstaat der EU/EFTA einzureisen, dort zu wohnen, lieben und leben sowie einer Beschäftigung nachzugehen. Die Zahl von Schweizer Staatsangehörigen, die in den EU- und EFTA-Staaten leben und arbeiten ist seit dem Inkrafttreten des FZA stetig angestiegen. Gemäss Auslandschweizerstatistik lebten von den rund 788’000 Auslandschweizer:innen Ende 2021 über 64% in Europa (insbesondere in Frankreich, Deutschland und Italien).

Für Auslandschweizer:innen sind die Freiheiten der privaten und beruflichen Mobilität sowie die Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit und das Recht, nach Beendigung ihrer beruflichen Tätigkeit in der EU bleiben zu dürfen, von grösster Bedeutung.

Position der Europäischen Bewegung​

Die Europäische Bewegung hat die Personenfreizügigkeit immer verteidigt und wird das auch künftig tun.

Das Privileg des freien Personenverkehrs ermöglicht es Schweizer Bürger:innen sich in EU-Mitgliedstaaten niederzulassen, dort zu arbeiten und zu leben. Wir sind Europäer:innen, auch ohne EU-Pass. Das FZA ist für die Schweiz sowohl wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich von grosser Bedeutung und wird auch in Zukunft zur Erhaltung des Wohlstands und der Standortattraktivität beitragen. Die fortlaufende Erosion der bilateralen Verträge könnte das FZA aufgrund der Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen über längere Frist erneut vor Herausforderungen stellen. Solange sich die Schweiz also nicht für einen weiteren Integrationsschritt entscheidet, ist das wirtschaftlich sowie gesellschaftspolitisch wertvollste Abkommen mit der EU nicht für die Zukunft abgesichert.

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