Die Ziele der belgischen EU-Ratspräsidentschaft

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Interview mit S.E. Herr Pascal Heyman, Belgischer Botschafter in der Schweiz.

Belgien hat vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2024 den Vorsitz des Rates der Europäischen Union (EU) inne. Dazu wurden sechs Prioritäten definiert. Welche sind es und weshalb wurden sie ausgewählt?

Unter dem Motto «protect, strenghten, prepare» hat unser Vorsitz sechs Prioritäten: Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Einheit; Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit; Vollziehung eines gerechten ökologischen Wandels; Stärkung der Sozial- und Gesundheitsagenda; Schutz von Menschen und Grenzen und die Förderung eines globalen Europas. Diese Themen spiegeln das wider, was wir für die aktuellen Debatten als zentral erachten. Sie reflektieren die Notwendigkeiten des Augenblicks und deuten an, wo es ein Momentum geben kann. Im gegenwärtigen und zukünftigen globalen Kontext ist eine starke europäische Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung, wenn wir in diesen Bereichen, die wir als wesentlich erachten, wirklich Einfluss nehmen wollen.

Belgien ist die Heimat vieler EU-Institutionen. Welche besonderen Merkmale Belgiens sind während der Ratspräsidentschaft zu erwarten?

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erkannte Belgien, dass es zur Entwicklung seiner Souveränität den Multilateralismus aufbauen musste. Unser Land stand daher an der Wiege zahlreicher internationaler Institutionen und hat heute einen Einfluss auf die internationalen Beziehungen, der weit über das hinausgeht, was man von einem Land unserer Grösse erwarten würde. Da Brüssel der Sitz vieler europäischer Institutionen ist, dürfen wir behaupten, dass die EU mit der belgischen EU-Ratspräsidentschaft «nach Hause» kommt. Unsere Fähigkeit, Kompromisse auf der Grundlage gemeinsamer Prinzipien und Werte zu suchen, wird uns bei der Bearbeitung der Dossiers sicherlich von Nutzen sein.

Wie wird die belgische EU-Ratspräsidentschaft die Umsetzung des Ziels eines widerstandsfähigen Schengen-Raums verfolgen?

Der Schutz der Menschen und der Grenzen ist eine unserer Prioritäten. Schengen ist das Herzstück der europäischen polizeilichen Zusammenarbeit und ermöglicht den freien Personenverkehr und damit den Binnenmarkt. Der Aufbau des Schengener Systems hat den Mitgliedstaaten auch politische Anstrengungen abverlangt. Jetzt geht es darum, den Schengen-Raum zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die belgische Präsidentschaft wird ihre institutionelle Rolle spielen, aber mit der Besonderheit, dass sie sowohl an der Wiege von Schengen stand als auch die Situation der Länder versteht, die unter einem starken Migrationsdruck stehen.

Der Vorsitz hat sich unter anderem im kulturellen Bereich zum Ziel gesetzt die digitale Transformation des kulturellen Sektors zu fördern und die Medienfreiheit sowie den Pluralismus zu stärken. Dabei soll die Rolle der Influencer:innen hervorgehoben werden. Wie wird das umgesetzt?

Besonders wichtig ist der Schutz der Jüngsten, die von kommerziellen Botschaften «beeinflusst» werden, die von Personen, die einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, über ihre Mobiltelefone verbreitet werden. Dabei handelt es sich um Werbung für Schönheitsprodukte, aber beispielsweise auch um «Finfluencer:innen» [bezeichnet Influencer:innen, die im Bereich Finanzanlagen und Finanzdienstleistungen tätig sind]. Diese Art des Marketings hat im Jahr 2023 einen Gesamtwert von fast 20 Milliarden Euro erreicht, wobei der rechtliche Rahmen nicht immer klar ist. In erster Linie geht es schliesslich darum, kommerzielle Botschaften als solche zu identifizieren. Eine Regelung auf europäischer Ebene ist notwendig.

 

S.E.M.PascalHeyman
08.02.2024

S.E. Herr Pascal Heyman

Belgischer Botschafter in der Schweiz