Besuch bei der Union der Benelux-Staaten. Sie fühlen sich wohl als Nukleus der EU und wollen Vorreiter bleiben, wie mit der Errichtung des Pentalateral Energy Forums, das einen europäischen Energiebinnenmarkt entwirft, woran sogar die Schweiz mitdenke. Woher kommt ihre Zuversicht? Sie erhielten viel mehr innerhalb als ausserhalb der EU, heisst es lapidar.
Auf der Schweizer Vertretung bei der EU hingegen wird klar, dass hier die Nerven eher blank liegen. Am liebsten möchte man schweigen. Mehr erfahren wir von anderen Leuten, bei Käsehäppchen und einem Glas Weisswein, die es abends bei den Friends of Switzerland gibt. Allseits wird betont, man stehe an einem ganz anderen Ort als vor einem Jahr. Die bundesrätlich viel beschworenen «Landezonen» würden sich konkretisieren.
Beängstigend oder erstaunlich? Zwei Vertreterinnen der Grünen Partei Europas wie auch der Vertreter des Thinktanks European Policy Centre sprechen von den gleichen Gefahren. Seit 2008 schüttle eine Anhäufung von Krisen ganz Europa. Daraus entstünde der Vormarsch antidemokratischer Parteien, von den Konservativen zum Teil mitgetragen. Alle blicken gebannt auf die Europawahlen 2024 – und die späteren Wahlen in den USA.
Die Vertretenden von Business Europe – mit der economiesuisse als Mitglied – betonen die Wichtigkeit der frühzeitigen Lobbyings, noch bevor Gesetzesvorschläge ihren Weg durch die Institutionen nehmen. Auf dem Heimweg der Gedanke: Unsere Wirtschaft steht mit dem Schöpflöffel an den EU-Töpfen, als Land aber wollen wir Europa nur mit Gewürzbeigaben unterstützen.
Eine positive Bilanz der EU-Zusammenarbeit wird beim EFTA-Sekretariat gezogen. Unter dem Strich hätten die EWR-Länder ungefähr gleich viel Einfluss wie Dänemark oder Österreich als EU-Mitglieder. Faktisch werde nichts diktiert, sondern ausgehandelt. Könnte die Schweiz in den EWR? Die Antwort lässt aufhorchen: Es sei nicht sicher, ob man die Schweiz mit ihrem heutigen Misstrauen gegenüber der EU in der Runde haben möchte.
Das Gebäude der EU-Kommission erscheint abweisend. Unsere Gesprächspartner: innen hingegen geben bereitwillig und zugewandt Auskunft. Das Klima der Sondierungsgespräche sei gut, alle wollen zum Abschluss kommen, im Bewusstsein, dass es die Schweiz hier brauche. Steht es bereits, dieses «Common Understanding»- Dokument, das die Grundlage zu echten Verhandlungen bilden wird? Wir werden einerseits vertröstet: Man habe noch bis Jahresende Zeit, auch wenn die ganzen Verhandlungen bis zu den Europawahlen, spätestens Ende 2024 abgeschlossen sein müssen. Andererseits: Die Abmachungen werden rund ein Dutzend Seiten umfassen, so geschrieben, dass es von allen verstanden werden könne. Wie bitte, eine Veröffentlichung? Natürlich – zumindest aus der Sicht der EU-Kommission.
Auf der Zugreise heimwärts blättere ich durch meine Notizen. Der höflich geäusserte Klartext fällt auf, beim Besuch der Ständigen EU-Vertretung Belgiens: Die EU wolle kein zweites Desaster mit der Schweiz. Die Finalisierung müsse gelingen. Sicher sei aber auch, dass man so wie bisher nicht weiter zusammenarbeiten kann. Doch merkt die Schweiz, dass sich der Rest Europas fragt, warum wir uns nicht endlich an den gemeinsam gedeckten Tisch setzen? Meine Grenzübertritte verlaufen problemlos. Wie lange noch?