Europawahlen 2024 – eine Richtungsentscheidung für unseren Kontinent

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Während in der Schweiz weiterhin über die grundsätzliche Art der Beziehung zur EU gerungen wird, hat Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen mit der Rede zur Lage der Europäischen Union den Auftakt zu einem europapolitischen Highlight Jahr eingeläutet, dessen Krönung die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 sein werden.

Bis zu den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 wird es noch viel zu diskutieren geben, denn in den kommenden Monaten erwarten uns viele europapolitisch bedeutsame Debatten: vor allem die Fragen der Reform und zukünftigen Erweiterung der Europäischen Union. Denn die Reformen sollen nicht nur den Weg zu einer gelungenen EU-Erweiterung bereiten, sondern sie bieten auch die Möglichkeit und Notwendigkeit, die Europäische Union als Ganzes demokratischer, rechtsstaatlicher, handlungsfähiger und damit zukunftsfähiger zu gestalten.

Die Europawahlen kommendes Jahr werden eine Richtungsentscheidung für unseren Kontinent sein. Kern der Frage wird sein, ob die demokratischen, pro europäischen Parteien in ihren vielen unterschiedlichen Färbungen es weiterhin schaffen, die europaweit erfolgreichen Autokrat:innen, Populist:innen und Demagog:innen einzudämmen. Denn nur so wird ein liberales, demokratisches Europa in der Lage sein, die Herausforderungen der Zukunft europäisch zu meistern, anstatt in nationaler Kleinstaaterei und inneren Konflikten in der globalen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Europäischer Wahlkampf

Dazu benötigt es einen erfolgreichen Europawahlkampf, der für mich vor allem eines bedeutet: dass er europäisch geführt wird. Es muss öffentlich um europäische Positionen gerungen werden und nicht in 27 Mitgliedstaaten um jeweils einzelne nationale Themen. Denn die Europäische Union und ihre Entscheidungen sind nichts Abstraktes, sondern berühren jede und jeden Einzelnen von uns – egal ob im Privaten, an der Arbeitsstelle oder als Unternehmerin und Unternehmer. Es muss um europäische Sachthemen gehen wie die richtige Balance von Klimaschutz und Wirtschaftspolitik, den richtigen Ansatz für die Aussen- und Sicherheitspolitik genauso wie für die Wirtschafts- und Energiepolitik. Auch die institutionellen Fragestellungen der Europäischen Union müssen ein Teil der Debatte sein. Legen wir das Prinzip der Einstimmigkeit in die Mottenkiste und kommen zu mehr Handlungsfähigkeit und geben wir dem Europäischen Parlament das Recht, eigene Gesetzesinitiativen vorzulegen? Das sind entscheidende Fragen für unser zukünftiges Zusammenleben und für den Erfolg der Europäischen Union.

Institutionelle Fragen

Ich fordere die pro-europäischen Parteien daher auf, neben den europäischen Fachpolitiken auch die institutionellen Fragen zur Stärkung der europäischen Demokratie und ihrer Handlungsfähigkeit im Wahlkampf prominent zu behandeln und stets in einem europäischen Reflex zu denken. Denn das Versprechen einer sicheren, handlungsfähigen und demokratischen Europäischen Union muss ab 2024 Hauptaufgabe des neuen Europäischen Parlaments, der neuen Europäischen Kommission und nicht zuletzt der Mitgliedstaaten sein.

Um diesen Weg erfolgreich zu gestalten, sind wir als Europäische Bewegungen und unsere Mitgliedsorganisationen gefragt, uns in die Debatten einzubringen: Denn Europa ist zu wichtig, um es allein der Politik zu überlassen.

© Europäische Bewegung Deutschland
09.11.2023

Dr. Linn Selle

Linn Selle engagierte sich ehrenamtlich zunächst jugendpolitisch und verbandspolitisch in der Europapolitik. Von 2010 an war sie im Bundesvorstand der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland (JEF Deutschland) aktiv, 2012 bis 2014 als deren stellvertretende Bundesvorsitzende und von Juni 2013 bis November 2014 agierte sie als Bundessekretärin. Für ihr Engagement bei den JEF Deutschland wurde Linn Selle mit dem Preis «Frauen Europas 2014» ausgezeichnet. Seit 2018 ist sie die Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland. Selle hat einen Bachelor in Politikwissenschaft und einen Master in European Studies. 2017 promovierte sie an der Europa Universität Viadrina zur Rolle von Europäischem Parlament und Deutschem Bundestag bei den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU 2014–2020. Hauptberuflich ist Linn Selle seit Juni 2021 als Leiterin des Referats Europa in der Vertretung des Landes Nordrhein- Westfalen beim Bund tätig.