Welche Rolle spielt der Europarat im neuen europäischen Paradigma?

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Die russische Aggression gegen die Ukraine hat Europa in eine neue Ära geführt. Sie hat die multilateralen Instanzen dazu veranlasst, sich neu zu überdenken. In diesen instabilen Zeiten ist der Europarat unverzichtbarer denn je, um den Vormarsch autoritärer Regime einzudämmen und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auf unserem Kontinent am Leben zu erhalten.

Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 bedroht die europäische Sicherheit als Ganzes und die Grundwerte der modernen europäischen Zivilisation: Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Genau diese Werte schützt, bewahrt und fördert der Europarat.

Ein Paradigmenwechsel

Der mit der russischen Aggression vollzogene Paradigmenwechsel in Europa verpflichtet die Mitglieder des Europarats, sich auf ihre Werte zu besinnen. Um diesen gemeinsamen Willen zu bekräftigen, fand am 16. und 17. Mai 2023 in Reykjavik das vierte Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschef: innen des Europarats statt. An diesem Treffen, dem ersten dieser Art seit 2005, wurden die Weichen für einen erneuerten, wegweisenden und gestärkten Europarat gestellt, der seine Rolle als Hüter einer demokratischen, rechtsstaatlichen und sozialen Ordnung für die Menschen in Europa wahrnimmt und wirksam auf die aktuellen Herausforderungen reagiert, die der Krieg in der Ukraine mit sich bringt.

Der Europarat bekräftigte seinen Willen, die Ukraine bei ihren Anstrengungen gegen die russische Aggression zu unterstützen; ebenso in der Wiederaufbauphase. Dies insbesondere mit einem neuen Aktionsplan, mit einem Register für die verursachten Schäden durch die russische Aggression sowie mit bestmöglichem Schutz der ukrainischen Kinder. Darüber hinaus will sich der Europarat vermehrt auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Die Mitgliedstaaten des Europarats bekräftigten ihr Engagement für das System der Europäischen Menschenrechtskonvention und erklärten sich bereit, die Instrumente auszubauen, die es braucht, um die Umsetzung der verbindlichen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu überwachen.

Ausserdem wurden in Reykjavik die zentralen Prinzipien der Demokratie im 21. Jahrhundert sowie die Bedeutung der Parlamentarischen Versammlung und des Kongresses der Lokal- und Regionalbehörden des Europarats unterstrichen. Denn ein kohärenter Nationalstaat, der Rechte und Freiheiten garantiert, beruht auf einer lebendigen Demokratie sowie auf gut funktionierenden regionalen und lokalen Gemeinschaften, wo das tatsächliche Leben der Menschen stattfindet. Der Gipfel brachte auch eine neue Aufmerksamkeit für die Beziehung zwischen Menschenrechten und künstlicher Intelligenz einerseits – und zwischen Menschenrechten und Umwelt mit Fokus auf den Klimawandel andererseits.

Die Zukunft des Europarats

Der Europarat befindet sich zugleich in einer Phase der Konsolidierung und des Wandels, die es ihm ermöglichen soll, der durch den russischen Angriff auf die Ukraine eingeleiteten Zeitenwende angemessen zu begegnen.

Vor dem Hintergrund dieser neuen geopolitischen und sicherheitspolitischen Lage in Europa feierte die Schweiz am 6. Mai 2023 den 60. Jahrestag ihrer Mitgliedschaft im Europarat. Die Schweiz ist überzeugt, dass der Europarat in diesen unsicheren Zeiten unverzichtbarer ist denn je, um den Vormarsch autoritärer Regime einzudämmen sowie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte im zeitgenössischen Europa zum Nutzen aller Menschen auf unserem Kontinent weiterleben zu lassen.