Die Prioritäten der spanischen EU-Ratspräsidentschaft

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Interview mit I.E. Frau Celsa Nuño, Botschafterin des Königreichs Spanien in der Schweiz.

Spanien hat vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2023 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU) inne. Was sind die Prioritäten der Ratspräsidentschaft?

Die Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft sind folgende:

  • Die EU reindustrialisieren (in den Bereichen Energie, Gesundheit, digitale Technologien, Ernährung) und damit eine offene strategische Autonomie sicherstellen, welche uns ermöglicht, die übermässige Abhängigkeit von Drittländern zu verringern.
  • Die ökologische Wende und die Anpassung an die Umwelt vorantreiben.
  • Grössere soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit fördern, damit der Wohlstand bei allen Bürger:innen ankommt und zur Verbesserung der Chancen und Lebensumstände genutzt werden kann.
  • Die europäische Einheit stärken, um die grossen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.

Welche besonderen Merkmale Spaniens sind während der Präsidentschaft zu erwarten?

Die Treffen [der EU-Minister:innen, Anm.] werden in allen autonomen Regionen stattfinden, da eines der Ziele darin besteht, die EU den Bürger:innen näher zu bringen. Aus demselben Grund wird sich Spanien für eine Reform des Strommarktes bemühen, um die Preise zu senken und erneuerbare Energien zu fördern. Sie wird sich für die Rechte vulnerabler Personen einsetzen (Kinder, Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sind, oder Menschen mit Behinderungen). In der Aussenpolitik wird Spanien eine stärker strukturierte und kontinuierliche Partnerschaft zwischen der EU, Lateinamerika und der Karibik vorantreiben.

Im Juli fanden Parlamentswahlen in Spanien statt. Wie wirkt sich dies auf die EU-Ratspräsidentschaft aus?

Wahlen sind Teil der demokratischen Normalität. Auch Frankreich hat während seiner Präsidentschaft Wahlen abgehalten. Spanien hat Erfahrung mit der Organisation der Ratspräsidentschaft, da es den Vorsitz bereits zum fünften Mal innehat. Es gibt eine sehr rigorose Vorarbeit und perfekt vorbereitete technische Teams, um sie erfolgreich durchzuführen.

Neben den geplanten Massnahmen im Bereich des Klimaschutzes ist eines der Hauptziele der spanischen Präsidentschaft die Förderung der Reindustrialisierung der EU. Wie können Klimaschutz und Reindustrialisierung miteinander vereinbart werden?

Der Klimawandel und die Zerstörung der Umwelt sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Wenn wir unsere Anstrengungen bei der Reindustrialisierung bündeln, ohne den ökologischen Wandel aus den Augen zu verlieren, können wir unsere Abhängigkeit von Energie und Rohstoffen verringern und gleichzeitig werden unsere Unternehmen wettbewerbsfähiger. Ziel ist es, dass die EU weiterhin den globalen Kampf gegen den Klimawandel anführt und gleichzeitig Wohlstand und neue Chancen für ihre Bürger:innen schafft.

Am 5. Oktober findet in Granada das dritte Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC) statt. Welche Ziele verfolgt Ihr Land, um dieses Projekt voranzutreiben?

Spanien unterstützt dieses Forum, das in einem offenen Format Debatten über die derzeit relevantesten geopolitischen Fragen ermöglicht. Wir haben ein grosses Interesse daran, dass die EPC ein Erfolg wird und ein Symbol unserer gemeinsamen Einheit und Entschlossenheit angesichts des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine darstellt.

Was die Diskussionsthemen betrifft, so wäre es nützlich, eine gewisse Kontinuität bei Themen von kontinentalem Interesse wie Energie, Sicherheit, Migration und Klima zu gewährleisten.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Belgien und Ungarn – den beiden Ländern, welche die Ratspräsidentschaft 2024 innehaben?

Das Ziel ist es, die Kontinuität der Arbeit der Präsidentschaft für 18 Monate zu gewährleisten.

Die Arbeit des Dreiervorsitzes fällt in die gleiche Zeit wie das Ende der Amtszeit der derzeitigen europäischen Institutionen. Tatsächlich ist die spanische Präsidentschaft die letzte vollständige Präsidentschaft, da die Europawahlen Anfang Juni stattfinden werden.

Die drei Länder arbeiten in einem konstruktiven Geist zusammen, um gemeinsame Lösungen für die anstehenden Herausforderungen zu finden und einen reibungslosen Übergang zum nächsten institutionellen Zyklus zu gewährleisten.

NUÑO, CELSA_Embajadora-14
01.09.2023

I.E. Frau Celsa Nuño García

Botschafterin des Königreichs Spanien in der Schweiz