Die Wiederentdeckung eines europäischen Gefühls

© GABRIEL DESIGN
Wenn ich sage, ich sei der Präsident der Waadtländer Sektion der Europäischen Bewegung, verstehen die Leute nicht, weshalb ich den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union will. Und sie begreifen nicht, was wirklich auf dem Spiel steht.

Verlust des europäischen Empfindens

Obwohl Europa in unserem Alltag präsent ist, sind die Schweizer:innen kaum interessiert an diesem so zentralen Thema. Da ich einige Jahre nach der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 zur Welt kam, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sich ein Grossteil der Schweizer:innen damals für Europa begeisterte.

Was ist seither passiert? Als historische Demokratie auf dem europäischen Kontinent müsste die Schweiz eine echte Debatte darüber führen, welchen Platz sie in der Welt einnehmen und wohin sie sich entwickeln will. Erstaunlich, dass diese Grundsatzdiskussion im Land der direkten Demokratie noch nicht stattgefunden hat.

Globale Herausforderungen

Die internationalen Herausforderungen sollten uns dazu veranlassen, eine echte Annäherung an die EU zu suchen. Wir leben in einer multipolaren Welt, was zunehmende Instabilität zur Folge hat. In dieser gespaltenen Welt muss die EU unsere engste Verbündete sein, dies sowohl aus geografischen Gründen als auch in Bezug auf unsere Werte.

Auch Klima- und Energiefragen können wir nur auf internationaler Ebene lösen, wobei die EU mit ihrem Green Deal für Europa führend ist. Herausforderungen im Bereich der Migration werden wir ebenfalls nicht allein lösen können – auch hier schreitet die EU mit dem Europäischen Pakt zu Migration und Asyl voran.

Demokratische Fragen

Wir hören immer wieder, die EU sei nicht demokratisch. Zwar ist die direkte Demokratie kein Instrument der EU, aber ihre politische Grundlage ist der Kompromiss. Die Europäische Kommission vertritt verschiedene politische Richtungen, im Europäischen Parlament hat keine Fraktion eine Mehrheit, und die Entscheidungen, die im Europäischen Rat von den (demokratisch gewählten) Staats- und Regierungschef: innen getroffen werden, basieren auf Kompromissen.

Die Schweiz würde sich in einem solchen System nicht fehl am Platz fühlen, sie lebt es jeden Tag. Natürlich ist die EU-Demokratie nicht perfekt, aber die unsere ist es auch nicht. Alle Demokratien können und müssen sich verbessern.

Aktivitäten der Sektion

In der Sektion Waadt organisieren wir unterschiedliche Veranstaltungen zu Europa, zum Beispiel mit unseren «Déjeuners européens » zu Themen wie Cybersicherheit oder den militärischen Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine. Wir organisieren auch Konferenzen, etwa über die von Autokratien ausgehenden Probleme für Europa.

Im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen haben wir auch eine Europa-Debatte mit den wichtigsten politischen Parteien veranstaltet. Unsere nächste Sorge wird es sein, junge Menschen davon zu überzeugen, sich uns anzuschliessen – damit die Sektion noch lange bestehen und das Thema Europa weiterverfolgt werden kann.

© Joshua Saurugger
07.11.2023

Joshua Saurugger

JOSHUA SAURUGGER, Präsident der Sektion Waadt der Europäischen Bewegung Schweiz